Hinduismus
Der Hinduismus ist mit etwa 900 Millionen Anhängern nach Christentum und Islam die drittgrößte Religion der Erde und hat seinen Ursprung in Indien. In Nepal integrierte Jaya Sthitimalla (1382-1395) als Anhänger des Vishnu-Kultes die buddhistischen Newar in das hinduistische Gesellschaftssystem, um die damaligen chaotischen Zustände von Invasionen und Raubzügen zu beenden. Durch eine rigorose Hinduisierung des Landes mit einer Kastengesetzgebung konnte er die bisherige offene Gesellschaft, in die jederzeit neue Bevölkerungsgruppen eingegliedert wurden, in eine abgeschlossene und streng gegliederte Kasten-Gesellschaft umwandeln und die gesamte Struktur des Landes auf eine neue Basis zu stellen. Seitdem ist der Hinduismus in Nepal Staatsreligion, der über 80 Prozent der Bevölkerung angehören.
Der Brahmanismus
Mit „Veda“ (Sanskrit: Wissen) werden im Hinduismus die heiligen Schriften bezeichnet, die lange Zeit mit erstaunlicher Präzision nur mündlich überliefert wurden, da es sich um heilige Texte handelt und somit das Wissen durfte nur an auserwählte Schüler weitergegeben werden durfte. Erst um das 5. nachchristliche Jahrhundert wurden sie niedergeschrieben. Noch heute gibt es Brahmanen, die die Veden auswendig können. Die älteste Schicht der Veden entstand ca. 1200 v.Chr. bis 900 v.Chr. (Hymnen, Lieder, Opferformeln und magische Formeln). Zwischen ca. 800 v.Chr. und 600 v.Chr. entstanden die Brahmanas (Ritualtexte) und schließlich ca. 700 v.Chr. bis 500 v.Chr. die Upanishaden. Als Vorläufer und philosophische Basis aller indischen Religionen dominierte in Indien ca. 800 v.Chr. bis 500 v.Chr. der Brahmanismus. Basierend auf den Schriften der Upanishaden liegt dem Brahmanismus die Lehre von „Atman“ (Einzelseele) und „Brahman“ (Weltenseele) zu Grunde. Atman und Brahman gelten als wesensgleich. Der Mensch muss diese Identität spirituell erkennen, um seine Einzelseele mit der Weltenseele in Einklang zu bringen und zu verbinden. So kann er die Erlösung, „Moksha“, erreichen und den Kreislauf der Wiedergeburten verlassen. Mit der Vorstellung von „Samsara“, dem sich wiederholenden Kreislauf von Geburt und Tod, sowie dem Gesetz des „Karma“ legte der Brahmanismus wesentliche Fundamente der verschiedenen Zweige des Hinduismus. Eine wichtige Stellung hatten die Brahmanen als Opfer- und Ritualexperten. Sie waren die Mittler zwischen den Menschen und den Göttern. „Bhakti“, die Hingabe eines Gläubigen an seinen persönlichen Gott, wie sie später besonders im Vishnuismus praktiziert wird, spielte hier noch keine Rolle. Ebenso entwickelte sich die Verehrung hinduistischer Götter wie Vishnu und Shiva erst später.


Mit dem Aufkommen des Buddhismus im 5. Jh. v.Chr. trat die dominante Position der Brahmanen in den Hintergrund, und der Brahmanismus verlor an Bedeutung. Die Inhalte der großen indischen Sanskrit-Epen Ramayana, Mahabharata und hier besonders der Bhagavad Gita (s.u.), gewannen an Einfluss für den aufkommenden Hinduismus. Doch sind die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen in den einzelnen hinduistischen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Moksha) stimmen nicht überein. Allgemein anerkannt wird jedoch, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind. So kennt der Hinduismus keinen Religionsstifter, also keine zentrale Autorität. Lediglich einzelne Strömungen gehen auf bestimmte Begründer zurück. Er ist deshalb eine Religion, die aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Der Hinduismus beeinflusst das ganze Leben von der Geburt bis zum Tod. Religion und Alltag sind nicht voneinander zu trennen. In der Praxis haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert und genießen besondere Anerkennung. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, wenn auch ihre Theologie und Philosophie nicht genau übereinstimmen. Die Selbstdefinition im modernen Hinduismus erklärt dies als „Einheit in der Vielfalt“.

Die Verehrung einer bestimmten hinduistischen Gottheit ist oft lokale Tradition. Da es nicht mehrere verschiedene Götter gibt, werden die verschiedenen Gottheiten als unterschiedliche Aspekte, als verschiedene Namen und Formen ein und desselben allumfassenden Gottes erklärt. Als der Schutzgott Nepals wird Shiva betrachtet.
Brahma (Schöpfer)
Brahma ist der erste der drei Hauptgötter. Er hat vier Köpfe, die seinen vollständigen Überblick als Weltenschöpfer symbolisieren. Jedem Gott ist ein Reittier zugeordnet. Brahmas Reittier ist „Hamsa“, die Wildgans, die ihn geistesschnell an jeden gewünschten Ort im Universum fliegen kann. Zu Brahma gehört seine Gefährtin Sarasvati, die Göttin der Kunst und des Wissens. Sie wird im allgemeinen mit vier Armen bildlich dargestellt; mit zwei Händen hält sie die Vina, ein Saiteninstrument, wodurch sie die Künste symbolisiert. In einer anderen Hand hält sie ein Bündel Manuskripte, ein Symbol der Klugheit und des Schreibens. In ihrer vierten Hand hält sie eine Gebetskette, das Symbol der Frömmigkeit, und sehr häufig einen Lotos, das Symbol der Reinheit. Ihr Zeichen ist die Gans oder der Pfau.
Vishnu (Erhalter, Bewahrer)
Vishnu ist der Welterhalter. Seine Aufgabe ist die Erhaltung und Bewahrung der göttlichen Ordnung in der Welt. Bildlich dargestellt wird er entweder stehend auf einem Lotus (Zeichen der Reinheit), fliegend auf seinem Emblem, dem Vogel „Garuda“ oder liegend auf einer Schlange. In seinen vier Händen hält er seine Symbole „Chakra“ (Diskus), „Sankha“ (Muschel), „Padma“ (Lotusblüte) und „Gada“ (Keule).
Vishnu auf seinem auf seinem Emblem, dem Vogel „Garuda“
Vishnus Gefährtin ist Lakshmi, die Göttin der Schönheit, des Glücks und des Reichtums. Wiederkehrende Inkarnationen Vishnus halten das „Dharma“ (Gesetz) auf der Erde aufrecht. Bedeutsam sind seine letzten Inkarnationen als Rama, Krishna und Buddha. Vishnus Leben als Rama, dem siebente Avatar (Inkarnation) und dessen Gefährtin Sita sind im Epos Ramayana niedergeschrieben. Als Krishna, dem achten Avatar, überbringt er die Heilige Schrift „Bhagvad Gita“ (s.u.). Schließlich macht die letzte Inkarnation Vishnus als Buddha, dem neunten Avatar, die enge geistige Verwandschaft von Hinduismus und Buddhismus deutlich. Folgen soll noch die zehnte Inkarnation. Der Name dieses Avatars wird Kalki heißen, und er soll auf einem weißen Hengst auf die Erde reiten. Traditionsgemäß ist auch der König von Nepal stets eine Inkarnation Vishnus.
Shiva (Zerstörer und Erneuerer)
Shiva ist zugleich der Zerstörer und Erneuerer. Er kann viele Formen annehmen. Manchmal erscheint er als Asket mit einem Tigerfell bekleidet. Die meisten Sadhus beziehen sich auf ihn, manche tragen auch den Shiva-Dreizack mit sich. Shivas Reittier ist der Bulle „Nandi“. Shivas Gefährtin ist Parvati, die Mutter von Ganesha und Skanda, dem Kriegsgott mit dem Pfau. Sie hat, genauso wie Shiva, den Doppelaspekt von Erhaltung und Zerstörung. Parvati ist das Sinnbild der lebensspendenden, lebenserhaltenden Mutter. Im Shaktismus ist sie die Verkörperung der göttlichen Energie (Shakti), ohne die der in sich ruhende Gott Shiva seine Funktion nicht erfüllen könnte. Verkörpert sie den Aspekt der Zerstörung, wird sie als Kali oder Durga dargestellt. Durga ist hiervon die sanftere Variante. Sie reitet auf einem Tiger, der für das Ego und die Arroganz des Menschen steht, die es zu unterdrücken gilt. Mit den Waffen, die sie führt, bekämpft und besiegt sie die acht bösen Eigenschaften (Hass, Geiz, Leidenschaft, Eitelkeit, Verachtung, Neid und die Illusionen, mit denen der Mensch sich selber bindet). Kali dagegen ist die furchterregende und wütende Personifizierung der Zeit. Ihre Arme und Waffen bekämpfen das Böse. Sie trägt eine Kette mit Totenköpfen, die die Sterblichkeit des Menschen verdeutlicht und symbolisiert damit den zerstörerischen Aspekt Gottes. Auch Shiva selbst trägt eine Kette aus Totenköpfen als Erinnerung daran, dass alles vergänglich ist. Doch wird er ebenso in der Form des Shivalingams, einer Darstellung des Phallus, verehrt. Dieser Shivalingam steht immer in der Yoni, dem Symbol des weiblichen Geschlechts. Beides zusammen ist Sinnbild für die Vereinigung, aus der neues Leben entsteht.
In der Verehrung eines der drei Hauptgötter oder anderer Gottheiten folgt der Hindu meist der örtlichen oder familiären Tradition. Während Brahma in den Hauptströmungen des Hinduismus (Vishnuismus, Shivaismus) heute stark an Bedeutung verloren hat, spielen neben Vishnu und Shiva vor allem folgende Gottheiten in der religiösen Verehrung eine herausragende Rolle:

Krishna
Krishna, der blaue Hirtengott mit der Flöte, hat seine Kindheit und Jugend bei den Hirten verbracht, und viele Geschichten ranken um seine Spiele mit den Gopis, den Milchmädchen. Die meisten Krishnabilder zeigen ihn zusammen mit seiner Geliebten Radha. Krishna ist vor allem in Indien der populärste aller hinduistischen Gottheiten. Er ist ein loyaler Verbündeter und Helfer der Menschen. Seine Anhänger suchen die Erlösung ganz in der Hingabe zu Krishna (Bhakti-Religion). Krishna begegnet uns insbesondere in der Bhagvad Gita, einem Teil des Sanskrit-Epos Mahabharata, welches Kampf und Krieg zwischen zwei Familien schildert, die ursprünglich nah miteinander in Verbindung standen. Hier ist Krishna der Wagenlenker Arjunas, den er lehrt, seine Pflicht zu erfüllen und Gott zu vertrauen, ohne nach Erfolg oder Misserfolg zu fragen.
Die zentrale Szene der Bhagvad Gita
Ganesh
Ganesh, der Sohn von Shiva und Parvati, ist der Überwinder aller Hindernisse und verkörpert Weisheit und Intelligenz. Er trägt einen Elefantenkopf, für den es verschiedene Versionen als Erklärung gibt. Eine dieser Geschichten berichtet, dass Parvati, Shivas Ehefrau, Ganesha in Abwesenheit Shivas geschaffen hätte. Da es Parvati nicht gefiel, dass Shiva sie gerne beim Baden beobachtete, formte sie aus Lehm einen kleinen Buben, übergoss ihn mit Gangeswasser und erweckte ihn so zum Leben. Sie nannte ihn Ganesha und setzte ihn als Wache vor ihr Badehaus. Als Shiva kam, versperrte Ganesha ihm den Weg. Shiva schlug ihm den Kopf ab und gelangte so in das Bad Parvatis. Als er jedoch erkannte, dass er gerade Parvatis Sohn getötet hatte, befahl er seinen Dienern, sofort den Kopf des ersten Lebewesens zu bringen, auf welches sie treffen würden. Dieses war ein Elefant, dessen Kopf Shiva nun auf Ganeshas Rumpf setzte und ihn so ins Leben zurück brachte. Das Reittier Ganeshs ist eine Ratte. Die Ratte steht als Symbol für die Kraft, die selbst im kleinsten Lebewesen steckt, und verdeutlicht Ganesha als den Überwinder aller Hindernisse.
Hanuman
Hanuman wird vor allem in Sri Lanka verehrt. Als Sohn des Windgottes Pavana verfügt Hanuman über die Fähigkeit des Fliegens. Er ist treuer Helfer von Rama und half diesem, seine Frau Sita aus den Händen des Dämonenkönigs Ravana auf Ceylon zu befreien. So wurde er zu einer der Hauptfiguren im Ramayana.
Das Kastensystem
Untrennbar mit der Geschichte des Brahmanismus und des Hinduismus verbunden ist das Kastensystem. Es basiert auf der Geburt eines jeden Menschen in eine bestimmte Kaste auf Grund seines „Karmas“. Diese Kastenzugehörigkeit ist vererbbar und die Regeln der Kaste bestimmen den späteren Ehepartner sowie das ganze spätere Leben (wie z.B. den Beruf).

Das Kastensystem ist für uns schwer zu verstehen und als gegebene Weltordnung nachzuempfinden, da doch gerade der Hinduismus alle Widersprüche mit großer Flexibilität vereinen kann und jeden in religiösen Dingen seinen eigenen Weg gehen lässt. Demgegenüber steht das für westliche Menschen unmenschliche und unflexible Kastensystem. Tatsächlich ist das heutige Kastensystem auch nur ein dekadentes Abbild einer ursprünglich flexiblen spirituellen Einteilung, welche die Anerkennung eines bestimmten spirituellen Entwicklungsstandes darstellte. Als „Brahmanen“ bezeichnete man einen Wissenden, der die höchste Stufe der Erkenntnis erreicht hatte, der in das Brahman eingetaucht war. Ein „Kshatriya“ war ein Kämpfer, ein Mensch, der sich bereits auf dem rechten Weg befand, aber noch um die Wahrheit kämpfen musste, während ein „Vaishya“ noch mehr im Materiellen verhaftet war und ein „Shudra“ die unterste Stufe darstellte.

Der älteste Beleg eines Kastensystems findet sich im Rigveda, dem sog. Purusha-Sukta, das u.a. auch die Entstehung der Kasten beschreibt. Purusha ist hier eine Art Urriese, der geopfert wird und aus dem die Welt und die „Varnas“ entstehen. Der Mund von Purusha wurde zu den Brahmanen, die Arme zu den Kshatriyas, die Schenkel zu den Vaishyas und die Füße zu den Shudras. Der Sanskrit-Begriff „Varna“ (wörtlich: Klasse, Stand, Farbe) ist seitdem der wichtigste Begriff im indischen Kastensystem. Die ursprüngliche Bedeutung von „Varna“, nämlich „Farbe“, hat sich indirekt erhalten, indem jede der vier Hauptkasten mit einer Farbe assoziiert wird. Mit den Brahmanen wird die Farbe Weiß in Verbindung gebracht, mit den Kshatriyas Rot, mit den Vaishyas Gelb und mit den Shudras Schwarz. Traditionell nimmt man an, dass mit „Varna“ aber auch die Hautfarbe gemeint war: je höher die Kaste, desto heller die Haut, worin sich die Rassenzugehörigkeit verschiedener Einwanderer- bzw. Erobererwellen widerspiegelte. Bereits im Brahmanismus erlangten die hellhäutigen Arier, welche im 2. Jahrtausend v.Chr. über den Hindukusch nach Nordwestindien eingewandert waren, ihre politische Herrschaft über die Nichtarier dunklerer Hautfarbe. Religion wurde damit ein Mittel zur Erlangung von Macht. Die ehemals spirituelle Ordnung des Kastensystems wurde so mit der Zeit in eine ökonomische Ordnung umgewandelt und von der herrschenden Schicht zur Wahrung ihres Standes gerne beibehalten:

Brahmanen (Priester, Gelehrter)
Kshatriya (König, Prinz, Krieger, höherer Beamter)
Vaishya (Landwirt, Kaufmann, Händler)
Shudra (Knecht, Dienstleistender)

Außerhalb dieser Kasteneinteilung standen die „Parias“, die Kastenlosen, die auch gleichzeitig die Ausgestoßenen waren. Über den Kasten stehend empfanden sich jeher auch alle indischen „Heiligen“, Sannyasins oder Sadhus, also alle, die einen spirituellen Weg gehen. Nach dem arischen Kastensystem durften nur die drei oberen Kasten sich Arya nennen. Mit dem Aufkommen des Hinduismus fand dieses Kastensystem aber auch seine Kritiker in den eigenen Reihen. Religionen wie der Buddhismus oder der Jainismus, die beide etwa im 5.Jh. v.Chr. entstanden sind, lehnen das Kastendenken grundsätzlich ab. Das hinduistische Indien hat das Kastensystem jedoch bewahrt. Wenngleich mit der Unabhängigkeit Indiens der Kastenzwang gesetzlich aufgehoben wurde, hat er sich bis heute in der täglichen Praxis dennoch mehr oder weniger gehalten.
Hinduismus in der Praxis
Wie eingangs beschrieben, gelten basierend auf den Schriften der Upanishaden die Seele des Einzelnen (Atman) und die Weltenseele (Brahman) als wesensgleich. Der Mensch muss diese Identität spirituell erkennen, um seine Einzelseele mit der Weltenseele in Einklang zu bringen und zu verbinden. So kann er er die Erlösung, Moksha, erreichen und den Kreislauf der Wiedergeburten verlassen. Ansonsten wird die unsterbliche Seele (Atman), nach dem persönlichen „Karma“, d.h. nach den positiven und negativen Handlungen, Gedanken und Bedürfnissen, in einer bestimmten Gestalt wiedergeboren. Wunsch aller Hindus ist es, diesem ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt zu entkommen und das Einswerden mit dem Brahman, dem Ewigen und Absoluten, zu erreichen.

Der Hindu versucht, dem „Dharma“ (Gesetz) entsprechend zu leben. Das Dharma umfasst die moralischen und sittlichen Werte, das gesellschaftliche Leben. Es ist die hinduistische Ethik, welche das Leben eines Hindu in vielfältiger Art und Weise bestimmt. Persönliche Gewohnheiten, soziale und familiäre Bindungen, Fasten und Feste, religiöse Rituale, Gerechtigkeit und Moral werden durch das Dharma bestimmt. Die Beachtung ist für Hindus nicht nur Voraussetzung für soziales Wohlergehen, sondern auch für die persönliche Entwicklung. Von der Erfüllung des Dharma hängt das Karma ab, die aus Gedanken und Taten entstandenen Resultate (Ursache und Wirkung). Jedoch hat der Hindu keinen allgemein gültigen Verhaltens-Kodex, sondern versucht, diesen im eigenen Atman zu schauen. Die Seele ist ewig, sie ist Teil des Höchsten, aber auch getrennt davon, und dies ist der Grund für das Verbleiben im „Samsara“, dem Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Sie muss immer wiederkehren, um sich in immer reinere und bewusstere Formen zu verwandeln und am Ende zu ihrem Ursprung zurückzukehren, wieder eins zu werden mit dem Brahman. Alles Leben führt zu diesem Ziel hin, und es ist tröstlich zu wissen, dass selbst ein Buddha Hunderte von Leben brauchte, um zum Buddha, zum Erleuchteten, zu werden.

Der Missionsgedanke ist dem Hinduismus fremd. Für den Hindu gibt es viele Wege um Erleuchtung, Erlösung, Moksha - oder wie die vielen anderen Namen für das einzig angestrebte Ziel heißen - zu erreichen. Jedem Hindu ist es auch freigestellt, den Gott zu verehren, der ihm am besten gefällt. Für den Hindu sind die verschiedenen Gottheiten nur Ausdruck und Manifestationen der verschiedenen Aspekte des Göttlichen.
Hinduismus in Nepal
Das Kastensystem
Wie in Indien gab es auch in Nepal vier Hauptkasten: Die Brahmanen (auf nepali „Bahun“), die Kshatriyas (auf nepali „Chetris“), die Vaishyas und die Sudras sowie viele Unterkasten. Die Kastenzugehörigkeit ist am Namen zu erkennen, z.B. zeigt der Name der Königsfamilie Shah seine Zugehörigkeit zur Chetrikaste an. Auch Buddhisten sind in Nepal ins Kastensystem integriert. Es gab rein buddhistische oder hinduistische Kasten, aber auch solche, die religionsübergreifend sind. Da Hinduismus und Buddhismus in der Kastenordnung gleichwertig integriert waren, spielen in der Gesellschaftsordnung konfessionelle Gegensätze keine Rolle. Überhaupt waren die Kasten in Nepal nie so stark voneinander abgegrenzt wie im indischen Kastensystem. Noch heute spielt allerdings das Thema „arranged marriage“ oder „love marriage“ eine aktuelle Rolle, denn es ist sogar möglich, durch Heirat eine Sprosse auf der Kastenleiter hochzusteigen. Dies trifft jedoch nur auf die Bauern- und Händlerkaste zu. Der Grund dafür liegt darin, daß die Händler durch den Wegfall des Tibet-Handels eher verarmten, während die Bauern ihren Wohlstand erhielten. Für einen höherkastigen Händler lohnte es sich deshalb, eine niedrigkastige Bauerstochter zu heiraten, die Kinder gehören dann zur Händlerkaste, während die Frau ihre Kastenzugehörigkeit behält.
Shiva, Parvati Pashupatinath Kali Bhairava Vishnu
Shiva ist der Schutzgott Nepals. Seine Gefährtin ist Parvati, die Mutter von Ganesha und Skanda, dem Kriegsgott mit dem Pfau. Wie Shiva hat auch sie den Doppelaspekt von Erhaltung und Zerstörung. Parvati ist das Sinnbild der lebensspendenden, lebenserhaltenden Mutter. Im Shaktismus ist sie die Verkörperung der göttlichen Energie (Shakti), ohne die der in sich ruhende Gott Shiva seine Funktion nicht erfüllen könnte. Verkörpert sie den Aspekt der Zerstörung, wird sie Kali oder Durga genannt. Kali ist schwarz und tanzt mit einer Kette von Menschenschädeln um den Hals. Ihr werden in Dakshin Kali (männliche) Tiere geopfert. Im Monat Ashwin (Sept./Okt.) werden während des Festes „Durga Puja“ Büffel und Schafe geschlachtet.
Shiva-Lingam Pashupatinath Dakshinkali Dakshinkali
Pashupatinath
Neben Dakshin Kali ist vor allem Pashupatinath das wichtigste hinduistische Heiligtum Nepals. Hier wird der Gott Shiva als Herr der Tiere (= pashu pati) verehrt. Der Pashupati-Tempel liegt am östlichen Rand von Kathmandu. Vermutlich war hier schon in vorchristlicher Zeit eine heilige Stätte angesiedelt. Der Tempel wurde erstmals im 5. Jahrhundert errichtet und dann unter der Malla-Dynastie erneuert.

Nach der Legende war Shiva mit seinen Begleitern Brahma und Vishnu unterwegs. Als er in die Gegend kam, wo der heutige Pashupati-Tempel steht, war er fasziniert von der Schönheit der Landschaft und wollte diese völlig ungestört und in Ruhe genießen. Um sich vor seinen Begleitern zu verbergen, verwandelte Shiva sich in eine Gazelle und vergnügte sich mit Parvati als Gazellenweibchen. Vishnu und Brahma suchten ihn und fanden ihn schließlich in Gazellengestalt. Doch Shiva weigerte sich wieder seine ursprüngliche Gestalt anzunehmen. Er wollte an diesem wunderschönen Ort verweilen. Da packten Brahma und Vishnu sein Einhorn, um ihn zu zwingen, mitzukommen. Doch das Horn zerbrach, und Shiva floh zum anderen Bagmatiufer, um für immer an diesem Ort zu verweilen. Seine Gefährtin Parvati erklärte ebenfalls, immer an Shivas Seite bleiben zu wollen. Hier schuf nun Shiva alle Tiere, indem er deren typische Gestalt annahm. In einer anderen Version versprach Shiva allen Menschen, die ihn hier sehen würden, dass sie nicht als Tier wiedergeboren würden. Das ihm abgebrochene Horn wurde als „Shiva-Lingam“ aufgestellt und wird noch heute als das Hauptheiligtum im Tempel verehrt.
Kathmandu - Pashupatinath
Am rechten (Ost)ufer des Bagmati befindet sich der Vishnu-Mandir (Tempel) mit einer Garuda-Statue davor und der Ram-Mandir, die beide aus neuerer Zeit stammen. Hier halten sich stets etliche Sadhus auf. Von hier führt eine Treppe hoch in den Wald, in dem Shiva als Einhorn umhergesprungen sein soll.
Sadhu
Bagmati Fluss Sadhus
Mitten durch das Gelände der Tempelanlage fließt der Bagmati-Fluss und teilt die Anlage in zwei grosse Bereiche. Am linken Ufer des Bagmati liegen der Pashupatinath-Tempel und die Verbrennungsstätten, die Arya Ghats (Verbrennungsstätten der höheren Kasten) und die Surya Ghats (Verbrennungsstätten der niederen Kasten). In Pashupatinath verbrannt zu werden ist der Wunsch vieler Hindus. Auch rituelle Waschungen werden im Fluss durchgeführt. Für viele Shivaiten gehört der Pashupatinath-Tempel zu den wichtigsten Verehrungsstätten Shivas. Tausende von Hindus, die teils von weither anreisen, feiern hier jedes Jahr im Frühjahr bei Neumond des Monats Falgun (Februar/März) das Shivaratri-Fest.
Pashupatinath Pashupatinath
Am rechten (Ost)ufer des Bagmati befindet sich der Vishnu-Mandir (Tempel) mit einer Garuda-Statue davor und der Ram-Mandir, die beide aus neuerer Zeit stammen. Hier halten sich stets etliche Sadhus auf. Von hier führt eine Treppe hoch in den Wald, in dem Shiva als Einhorn umhergesprungen sein soll.
Muktinath Muktinath Muktinath Muktinath
Muktinath
Zu den bedeutendsten religiösen Stätten Nepals aus hinduistischer und buddhistischer Sicht gehört die Tempelanlage von Muktinath, die sich im Distrikt Mustang in der Nähe des Ortes Ranipauwa befindet. Bereits im Mahabharata wird Muktinath als Ursprungsort der mystischen Shaligram-Fossilien bezeichnet, und tatsächlich findet man in dieser Gegend in fast 4000 Meter Höhe auch heute noch diese beliebten Ammoniten. Dies ist auf die Plattentektonik zurückzuführen, durch die das Himalaya-Gebirge entstand.
Muktinath, in der Fire Gompa (Mebar Lhakang Gompa)
Heilig sind die Quellen, die ihr Wasser einer Wand entspringen lassen. Hinduisten, wie auch Buddhisten, versprechen sich im reinigenden Bad der 108 Wasserspender die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. In der Fire Gompa (Mebar Lhakang Gompa) befindet sich ein buddhistischer Schrein, der eine ewig brennende Flamme schützt. Es ist eine Erdgas-Flamme, die aus dem Boden kommt und vor langer Zeit von einem Blitz entzündet wurde. Hier, in Muktinath, vereinen sich einzigartig alle fünf Elemente an einem Punkt: Wasser, Feuer, Erde, Himmel und der spirituelle Raum, der Äther. Tibetische Gebetsfahnen spielen im Wind, hinduistische Bramanen murmeln ihre Mantras. Muktinath ist das Ziel mancher Pilgerreise, ein wahrhaft spiritueller Ort.
Kumari von Kathmandu Kumari Chowk Hakku Bahal Kumari von Patan
Die Kumari
Auch im Kumari-Kult vermischen sich Hinduismus und Buddhismus. Die Herkunft dieses Kultes ist nicht sicher. Einerseits wird die Existenz der Mädchengöttin auf die Zeit der Malla-Dynastie zurück geführt. Damals, vor etwa 400 Jahren, soll sich einer der Malla-Herrscher der Göttin Taleju, der Hausgöttin des jeweiligen Hindu-Königs, beim Würfelspiel in eindeutiger Absicht genähert haben. Diese sei daraufhin erzürnt aufgesprungen und habe beim Verlassen des Palastes geschworen, künftig nur noch in Gestalt eines jungfräulichen Wesens aus der Shakya-Kaste zu erscheinen, jener Kaste, der einst auch der historische Buddha entstammte (hiervon leitet sich die Bezeichnung „Buddha Shakyamuni“ ab; sie bedeutet: der Weise aus dem Geschlecht der Shakya). Fortan erscheint die Göttin Taleju immer in der Gestalt eines kleinen buddhistischen Mädchens. Da aber nach nepalesischer Definition mit dem Beginn der Pubertät ein Mädchen aufhört, ein jungfräuliches Wesen zu sein, wird zu diesem Zeitpunkt die Kumari von einem anderen Mädchen abgelöst. Bereits als kleines Kind wird die künftige Kumari durch verschiedene Tests ausgewählt. Es soll insgesamt 12 Kumaris in Nepal geben, doch ist die populärste die von Kathmandu. Sie wohnt im Kumari Chowk am Durbar Square.


Tatsächlich haben die Malla-Könige vor etwa 400 Jahren das Kumari-Fest an den Indra-Jatra-Feiertagen eingeführt, und sie haben auch das Kumari-Haus gebaut. Der Kumari-Kult selbst soll aber bereits seit es die vielarmige Göttin Durga gibt, also seit ungezählten Jahren, existieren. Die Kumari vereinigt den Sanftmut der Göttin Parvati, der Begleiterin Shivas, aber auch die Furchtlosigkeit von Durga, der anderen Erscheinungsform von Parvati.
Die Kumari beim Umzug während des Indra-Jatra-Fests
Das Indra-Jatra-Fest, ein mehrtägiges grosses Wagenfest Anfang September zu Ehren von Gott Indra, ist für eine Kumari der Höhepunkt des Jahres. Am ersten Tag wird ein großer Holzpfahl vor dem Hanuman Dhoka-Palast in Kathmandu in die Höhe gewuchtet. An der Spitze des Masts entfaltet sich die lange „Indra Dhoja“ (die Flagge Indras), während am Fuße ein Bildnis Indras aufgestellt ist, an dem die Gläubigen Opfergaben niederlegen. Den Höhepunkt des Indra-Jatra-Fests bildet am dritten Festtag die Wagenprozession der Kumari. Sie wird in einem mit Blumen, Laubwerk und goldenen Zeremonialschirmen geschmückten Wagen durch die Stadt gefahren, und die Menschen auf den Straßen jubeln ihr zu. Begleitet wird sie von Ganesh, dem Sohn von Shiva and Parvati, sowie von Bhairab, einer kämpferischen Form von Shiva. Beide werden dargestellt von zwei kleinen Jungen, die ebenso auf dem prunkvollen Wagen Platz nehmen. Am Abend trifft die Prozession am Hanuman Dhoka ein, wo die riesige goldene Svet Bhairab-Maske (weißer Bhairab) auf die Menge herabschaut. Sobald die Kumari hier ankommt setzt laute Musik ein, und aus dem Mund der Maske beginnt Reisbier in einem hohem Bogen herabzufließen. Den Höhepunkt bildet die feierliche Tika-Zeremonie, bei der die Kumari dem König durch ein rotes Tika-Zeichen für ein weiteres Jahr symbolisch die Königsherrschaft über das Land verleiht.
Durga Taleju-Mandir Hanuman Dhoka Svet Bhairab
Seit Nepal Republik geworden ist haben sowohl Taleju, die Hausgöttin des Königs, als auch die Kumari, die bei der Tika-Zeremonie dem jeweiligen König die Herrschaft über das Land verlieh, an Bedeutung verloren. Dennoch wohnt die Kumari weiterhin im Kumari Chowk und zeigt sich regelmäßig an ihrem Fenster, wobei sie aber nicht fotografiert werden darf. Da es Unglück bringen soll mit einer Kumari verheiratet zu sein, führt sie nach ihrer Ablösung oft ein einsames Leben. Die Ehre, als Kumari auserwählt zu sein, ist also eine zweifelhafte.