< Legenden und Vorgeschichte 2. Die Thakuri und die frühen Malla >
1. Die Zeit der Licchavi (ca. 350-750 n. Chr.)
Mit den ersten dokumentierten Belegen geschichtlicher Ereignisse beginnt die Geschichtsschreibung Nepals. Neben der heute verbreiteten christlichen Zeitrechnung, die im Folgenden verwendet wird, existiert in Nepal vor allem ein weiterer Kalender, der „Bikram Sambat“. Diese Zeitrechnung ist nach dem altindischen König Bikramaditya Sambat benannt und wird heute noch hauptsächlich in amtlichen Dokumenten, in Zeitungen und im öffentlichen Dienst verwendet. Die Zeitangaben des Bikram Sambat (B.S.) werden in unsere Zeitrechnung (AD) umgerechnet, indem man von dem B.S.-Datum 56 Jahre, 8 Monate und etwa 17 Tage abzieht. Bei der Umrechnung ist zu beachten, dass das B.S.-Datum in der Reihenfolge Jahr-Monat-Tag dargestellt wird, wobei die beiden ersten Ziffern der Jahresangabe normalerweise wegfallen. Bei der Subtraktion müssen ggf. ein Jahr in zwölf Monate und ein Monat in 30 Tage umgewandelt werden.

Eine B.S.-Zeitangabe würde beispielsweise so umgerechnet:
08/1/6 = 2008/1/6 = 2007/13/6 = 2007/12/36 abzüglich 56/8/17 ergibt den 19. April 1951.


Dieser Datums-Konverter wandelt A.D.-Daten in B.S.-Daten und umgekehrt um.
Hier gibt es einen Nepal-Kalender mit Nepali Zahlen.
Und hier ein Nepal-Kalender mit arabischen Zahlen und Datum-Konverter.

Der Bikram Sambat-Kalender in Nepal beginnt mit dem ersten Tag des Monats „Baishakh“ (Mitte April).

Bisket-Yatra, Wagenfest der Neujahrsfeierlichkeiten von Bhaktapur

Die 12 Monate heißen:
• Baishakh (April - Mai)
• Jyestha (Mai - Juni)
• Ashada (Juni - Juli)
• Shravan (Juli - August)
• Bhadra (August - September)
• Ashvin oder Ashoj (September - Oktober)
• Kartik (Oktober - November)
• Mangshir (November - Dezember)
• Poush (Dezember - Januar)
• Magh (Januar - Februar)
• Phalgun (Februar - März)
• Caitra (März - April)

Die 7 Wochentage heißen:
• Somabar (Tag des Mondes) = Montag
• Mangalbar (Tag des Mars) = Dienstag
• Budhabar (Tag des Merkur) = Mittwoch
• Brihapatibar, Bihibar (Tag des Jupiter) = Donnerstag
• Sukrabar (Tag der Venus) = Freitag
• Shanisharbar (Tag des Saturn) = Samstag
• Aityabar (Tag der Sonne) = Sonntag
In der nepalesischen Schrift, dem Devanagari, werden die Ziffern in etwa so dargestellt:
Kalender und Zeitrechnung in Nepal
Eine erste Zeitmarke stellt die Geburt des Siddhartha Gautama, des Buddha, um 563 v.Ch. dar. Er wurde im südnepalischen Lumbini, im heutigen Distrikt Rupandehi, geboren und verbreitete seine Lehre hauptsächlich in Nordindien. Das Tal von Kathmandu und weite Teile Nepals waren damals schon fest besiedelt, und so wundert es nicht, dass der Buddhismus starke Verbreitung fand.

Das früheste bekannte geschichtliche Zeugnis, auf dem der Name Nepal erstmals genannt wird, ist eine Säule bei Allahabad (Uttar Pradesh, Indien). Sie stammt aus der Mitte des 4. nachchristlichen Jahrhunderts und führt das Himalaya-Königreich (Nepala-Nripati) unter den Lehensabhängigen des indischen Gupta-Reiches auf, nämlich unter den Fürsten, die „den Tribut zahlen, den Anordnungen gehorchen und die sich niederwerfen, um den gebieterischen Willen des Herren zu befriedigen“. Der Herrscher von Nepal war also dem indischen Kaiser Gupta tributpflichtig. Die Verknüpfung Nepals mit der Geschichte Indiens ist mit diesem frühesten bekannten Dokument erstmals dokumentiert.
Vishnu Mandir in Changu Narayan, Ostseite
Eine der längsten erhaltenen Inschriften bedeckt drei Seiten eines Gedenkpfeilers, der vor dem Westportal des dem Gott Vishnu geweihten Tempels in Changu Narayan steht (Kathmandu-Tal). Diese älteste in Nepal überlieferte Inschrift berichtet von den Eroberungszügen des Königs Manadeva I (464-505). Die Schrift wurde im Jahr 464 eingraviert, also im Jahr des Herrschaftsantrittes dieses Königs. Sie lässt sich heute jedoch nicht mehr ganz lesen, da der Pfeiler inzwischen zum Teil in der Erde versunken ist. Die Säule selbst wird einem Vorgänger von König Manadeva, Haridatta (um 400) zugeschrieben, der den Vishnuismus in Nepal eingeführt haben soll - orientiert am Vorbild der damaligen indischen Kaiser der Gupta-Dynastie. Ursprünglich wurde die Manadeva-Säule von einem Garuda, dem Emblem Vishnus, gekrönt. Vermutlich stürzte sie irgendwann um, denn der Garuda steht jetzt auf dem Boden ein paar Meter weiter - ebenfalls an der Westseite des Tempels. Vermutlich gegen 1860 wurde auf den Pfeiler ein „Chakra“ (Rad) aus vergoldetem Kupfer gesetzt - neben „Sankha“ (Muschel), „Padma“ (Lotus) und „Gada“ (Keule) eines der Symbole Vishnus. Zwei weitere Stelen mit Sanskrit-Widmungen von Manadeva I, in denen er die Verdienste seiner Mutter, der Königin Jajyavati, preist, existieren noch heute: die eine befindet sich an ihrem Fundort in Mrigasthali, in der Nähe von Pashupatinath; die andere wird im Nationalmuseum in Lajimpat, östlich von Kathmandu, aufbewahrt.
Vishnu Mandir in Changu Narayan, Westseite
Changu Narayan, Manadeva-Säule Changu Narayan, Garuda
Die Anzahl der Inschriften aus der Herrschaftszeit von König Manadeva I (464-505) und seinen Nachfolgern sowie auch die der erhaltenen Statuen ist gering. Ein verlässlicher historischer Überblick lässt sich hieraus nicht gewinnen. Sie zeugen jedoch von einem relativen Wohlstand sowie einer etablierten Königlichen Autorität.

Spätere Inschriften ab dem 5. jahrhundert sind im klassischen Sanskrit verfasst und erlauben erstmal detailierte Einsichten in das damalige politische und religiöse Leben. Sie bezeugen die Existenz einer Herrscherfamilie in Nepal, der Licchavi, mit deren Name die Epoche von etwa 350 bis 750 bezeichnet wird. Einige Texte lassen auf die Zugehörigkeit dieser Fürsten mit dem „Sonnenclan“ (Suryavamsha) schließen, welcher zu Buddhas Zeiten in Vaishali (nördlich von Bihar) regierte, dann jedoch unter dem Druck muslimischer Herrscher, der Kushanas, flüchtete und sich offenbar in Nepal ansiedelte. Es gilt als gesichert, dass sich in dieser Zeit der Licchavi-Könige das Kathmandu-Tal zu einem Zentrum von Kunst und Wissenschaften und buddhistischer Religion entwickelte. Getragen wurde dies von den ersten Bewohnern des Tals, den Newar, die bis heute das Bild Kathmandus prägen. Sie organisierten die ersten Siedlungen, betätigten sich in der Landwirtschaft und bauten damals, so wie noch heute, Sakral- und Profanbauten vornehmlich aus Holz und Ziegeln.

Im Jahr 607 wurde Nepal von dem indischen Herrscher Charita Harsha besetzt. Er hinterließ einen Statthalter in Kathmandu, was jedoch schon bald zum Ende der indischen Herrschaft in Nepal führte. Mit dem ersten König Nepals, König Amsuvarman (595-640), der 620 an die Macht kam, konnte sich Nepal von allen politischen Abhängigkeiten befreien. Der neue König förderte die bereits aufgeblühten Künste und die Wissenschaften, er führte ein Münzsystem ein und ließ sogar die erste Sanskrit-Grammatik des Landes schreiben. Zudem war er ein weitsichtiger Politiker. Mit Songtsen Gampo an der Spitze drangen Tibets Truppen damals in einem starken Expansionsdrang bis nach Nordindien vor. König Amsuvarman begegnete den Spannungen durch Verheiratung seiner Tochter mit Songtsen Gampo, die auf diesem Wege den Buddhismus nach Tibet gebracht haben soll.

Trotz der schnellen Verbreitung des Buddhismus zeichnete sich die Newar-Monarchie dadurch aus, dass die Licchavi-Herrscher - ebenso wie auch die der gleichzeitig in Indien regierenden Dynastie der Guptas - sich zum Vishnuismus bekannten, einer Form des Hinduismus. Bis zum heutigen Tag wird der nepalesische Monarch als „avatar“, als ein Abstammender von Vishnu betrachtet.
Vishnu und Lakshmi
Die Dorfgemeinschaften besaßen eine gewisse Autonomie. Das Panchayat-System soll bereits hier seine historischen Wurzeln haben. Dennoch bestimmte der Staat das politisch-ökonomische Leben und regelte teilweise die landwirtschaftliche Produktion. Abgaben der Bauern als Vasallen an den Staat als Lehnsherren wurden in Form von Fronarbeiten geleistet, die dem Allgemeinwohl zugute kamen, so z.B. die Instandhaltung von Wegen und Straßen oder das Anlegen von Bewässerungssystemen. Mit eingenommenen Geldern wurden teils auch religiöse Feste finanziert.
Kupfermünze von König Sri Mananka von Khingar, 6. Jhd. n.Chr.
Kupfermünze von König Amsuvarman, ca. 620 n.Chr.
Kupfermünze von König Amsuvarman, ca. 620 n.Chr.
Diese Zeit, die als Licchavi-Periode in die Geschichte Nepals einging, wird als das „Goldene Zeitalter des frühen Nepal“ bezeichnet. Damals schon, wie noch heute, existierten Hinduismus bzw. Vishnuismus und Buddhismus friedlich nebeneinander. Die offizielle Sprache der Licchavi, wie auch die der Guptas, war Sanskrit. Ebenso war die Schrift, in der königliche Dokumente in Stein eingraviert wurden, dieselbe wie die der Guptas in Indien. Diese und weitere Übereinstimmungen lassen auf die indische Herkunft der Licchavi und auf einen engen kulturellen Kontakt mit Indien schließen, ganz sicher auch auf intensive Handelsbeziehungen. Denn schon bald kam dem Karawanenhandel, der durch das durch König Amsuvarman eingeführte Prägen von Kupfermünzen begünstigt wurde, eine besondere Bedeutung zu. Das Kathmandu-Tal war bald Umschlagplatz auf dem Handelsweg zwischen Indien und Tibet. Reichtum, eine sowohl vom Norden als auch vom Süden befruchtete hochstehende städtische Kultur und ein Erblühen der Künste in Nepal waren die Folgen und zeichnen die Zeit der Licchavi aus. Die Gründung der Stadt Kathmandu, die mit dem Jahr 732 angegeben wird, fällt in diese Zeit, die allerdings gegen 750 mit dem Aufkommen der Mallas ihr Ende erreichte.
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