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Entwicklung des Buddhismus in Tibet

Bön-Religion
Vor der Einführung des Buddhismus war in Tibet die Bön-Religion vorherrschend. Der „Alte Bön“ überlieferte die Gebräuche und den ursprünglichen Volksglauben Tibets, bevor der Buddhismus in Tibet eingeführt wurde. Die Bön-Religion enthält einerseits naturreligiöse Vorstellungen und animistische Praktiken und andererseits Lehren und Praktiken, die den verschiedenen buddhistischen Fahrzeugen bis hin zum Vajrayana entsprechen. Aufgrund der späteren jahrhundertelangen Koexistenz mit dem Buddhismus sind die Traditionen des sog. „Yungdrung Bön“ und des „Neuen Bön“ dem tibetischen Buddhismus, vor allem in der Tradition der Nyingma-Schule, sehr ähnlich. Die Bönpo beziehen sich in den Ursprüngen ihrer Tradition aber nicht auf Buddha Shakyamuni, sondern auf den Buddha Shenrab Miwoche als Gründer der Tradition, der vor 18000 Jahren gelebt haben soll.
Bön-Dorf Lupra (Mustang) Bön-Monastry im KTM-Tal
Songtsen Gampo
Die Geschichte des tibetischen Buddhismus beginnt mit König Songtsen Gampo (618-649). Als erfolgreicher Feldherr hatte er die Fürstentümer, in die Tibet zu jener Zeit zersplittert war, vereinigen können. Die Verwaltung war zentralisiert worden und Tibet wuchs zu einer politischen Macht mit militärischer Schlagkraft. Dennoch war Tibet damals seinen - buddhistischen - Nachbarn (Khotan im Nordwesten, Kashmir im Westen, Nepal im Süden und die chinesische Tang-Dynastie im Osten) kulturell und wirtschaftlich unterlegen. So kam es, dass Songtsen Gampo neben sozialen Reformen und kulturellen Anstrengungen insbesondere den religiösen Grundlagen der Kulturen seine Nachbarstaaten, nämlich dem Buddhismus, äußerst aufgeschlossen war. Er errichtet die ersten buddhistischen Tempel in Tibet und schickte auch ein Gruppe junger Tibeter nach Kashmir, um dort den Buddhismus zu studieren. Wegen des für Tibeter schwierigen Klimas in Kashmir überlebte allerdings nur einer aus dieser Gruppe, Tönmi Sambhota, der 632 zurückgekehrte und das tibetische Alphabet nach dem Vorbild indischer Schriftsysteme entwickelte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es keine tibetische Schrift und daher auch keine Literatur gegeben. Nun entstanden die ersten tibetischen Übersetzungen buddhistischer Texte. 635 verlangte Songtsen Gampo nach einem erfolgreichen Feldzug gegen China vom chinesischen Tang-Kaiser Taizong eine Prinzessin als Gemahlin. Prinzessin Wen Cheng war eine fromme Buddhistin, und sie brachte Mönche und Schriftrollen mit nach Tibet. Außerdem heiratete König Songtsen Gampo die nepalesische Prinzessin Bhrikuti, die ebenfalls überzeugte Buddhistin war. Beide brachten dem König die Lehre Buddhas nahe. Bhrikuti war die Tochter von Amsuvarman, dem ersten Thakuri-König Nepals ab 602 v. Chr. Es wird angenommen, dass sie eine Reinkarnation der Grünen Tara des Tibetischen Buddhismus ist, welche wir auf vielen Thankas bewundern können. Bhrikuti brachte insbesondere zwei Dinge mit in die Ehe: eine Satue Buddhas sowie dessen Bettelschale. Diese Schale, so wird vermutet, war die Einführung der Tibetischen Schale, der Klangschale oder „Singing Bowle“.
Songtsen Gampo
Mönche im Tempels des Meisters der Medizin blasen zum Gebet
Lhasa Der Potala-Palast
Obwohl zu jener Zeit noch die schamanistische, animistische Bön-Religion vorherrschte, begann unter Songtsen Gampo der Buddhismus erstmals in Tibet Fuß zu fassen, auch wenn es damals nur wenige Buddhisten gab und ihre Tempel schlichten Kapellen ähnelten. Der König selbst gründete zwei dieser Heiligtümer in Lhasa, darunter den Jokhang-Tempel. Auch soll Songtsen Gampo 637 einen Palastbau auf dem Berg Mar-po-ri (Roter Berg) angelegt haben, der später in den Potala-Palast integriert wurde. Mit seinen Reformen legte Songtsen Gampo die Grundlagen für die tibetische Gesellschaft, für ihre Kultur, Literatur und eben auch für den tibetischen Buddhismus, weshalb er von den Tibetern auch als Manifestation des Avalokiteshvara, dem Bodhisattva des Mitgefühls, angesehen wird.
Avalokiteshvara
Die frühere Übersetzungsperiode

Eng verbunden mit dem Beginn des Buddhismus in Tibet ist die Übersetzungsgeschichte der buddhistischen Schriften, die aus Indien, Nepal, Kaschmir, Khotan und China nach Tibet kamen. Zwei Perioden intensiver Übersetzungstätigkeit lassen sich feststellen: die „frühere Übersetzungsperiode der alten Schule“ und die „spätere Übersetzungsperiode der neuen Schule“. Nachfolger der Lehren der früheren Übersetzungsperiode nennt man „Nyingmapa“ (die Alten), und diejenigen der Lehren und Unterweisungen der späteren Übersetzungsperiode bezeichnet man als „Sarmapa“ (die Neuen). Zusammen bilden sie die vier Hauptschulrichtungen, die wir heute noch in Tibet finden: die Nyingmapa und die drei neuen Schulen, nämlich die Kagyüpa, die Sakyapa und die Gelugpa (s.u.).

Trisong Detsen
Unter König Trisong Detsen (756-797) wurde das erste große Zentrum der Gelehrsamkeit in Tibet gegründet, das Kloster Samye (erbaut 770-775). Zur selben Zeit jedoch entstand in Tibet selbst eine wachsenden Opposition gegen dem Buddhismus durch Anhänger der schamanistischen animistischen Bön-Religion, die König Trisong Detsen, den glühenden Anhänger des Buddhismus, mit allen Mitteln zu bekämpfen suchten. Er lud deshalb den bedeutenden indischen Gelehrten Shantarakshita ein, dessen Mission allerdings nicht erfolgreich war, denn gerade zur Zeit seiner Anwesenheit in Tibet brach eine Epidemie aus, deren Verursachung die einheimischen Bön-Priester dem Einfluss des Buddhismus zuschrieben. Shantarakshita riet König Trisong Detsen deshalb, den großen indischen Meister Padmasambhava nach Tibet einzuladen.
Padmasambhava
Padmasambhava
Padmasambhava (Lotusgeborener), in Tibet als Guru Rinpoche (Kostbarer Meister) bekannt, war sowohl ein bedeutender Gelehrter, Redner und Philosoph wie auch ein großer meditativ erfahrener Yogi, Mystiker und Meister der okkulten Wissenschaften. Er hielt sich insgesamt nur 18 Monate in Tibet auf, brachte es aber in dieser Zeit fertig, die Anhänger der Bön-Religion zu versöhnen, indem er geschickt die "Bön-Geister" in das tantrische buddhistische Pantheon aufnahm und sie zu schützenden Gottheiten für den buddhistischen Glauben erklärte. Nachdem die Anhänger der Bön-Religion zum Buddhismus konvertiert waren, ordinierten Padmasambhava und Shantarakshita im Jahre 779 gemeinsam die ersten sieben buddhistischen Mönche Tibets und begründeten damit den tibetischen Mönchsorden. In Samye und zahlreichen weiteren neu gegründeten Klöstern Tibets übertrugen tibetische Übersetzer gemeinsam mit indischen Gelehrten buddhistische Schriften aus dem Sanskrit ins Tibetische. Bis zum Beginn des 9. Jahrhunderts kamen immer wieder indische Meister und Gelehrte nach Tibet (teilweise auf der Flucht vor den muslimischer Invasionen) - umgekehrt studierten viele tibetische Gelehrte und Übersetzer den Buddhismus in Indien. Der monastische Buddhismus, der auf den Ordensregeln des Hinayana basiert, wurde fest in Tibet etabliert. Ferner wurden etliche Schriften des Hinayana, Mahayana und Vajrayana aus dem Indischen, dem Chinesischen und anderen Sprachen ins Tibetische übersetzt. Während der „früheren Übersetzungsperiode“ wurden die meisten buddhistischen Sutras (Lehrreden des Buddha), Tantras (esoterisches Geheimwissen) und Kommentare ins Tibetische übertragen.

Noch in der Regierungszeit Trisong Detsens fand im Kloster Samye ein bedeutendes Ereignis statt, das „Konzil von Lhasa“, ein Disput zwischen Kamalasila, einem indischen Schüler von Shantarakshita und einem chinesischen Mönch, der die chinesische Chan-Schule (Ursprung des japanischen Zen-Buddhismus) vertrat. Bei diesem Streitgespräch ging es vor allem um die Frage, ob Erleuchtung allmählich und stufenweise stattfindet oder ob es sich dabei um ein plötzliches Erlebnis handelt. Kamalasila trat für die stufenweise Erleuchtung ein, der chinesische Mönch hingegen vertrat die Ansicht, dass die Erleuchtung plötzlich stattfindet. Schließlich entschied sich König Trisong Detsen für Kamalasilas Ansichten und beendete damit die Debatte. Weiterhin legt König Trisong Detsen fest, dass der tibetische Buddhismus allen drei „Yanas“ (Hinayana oder „kleines Fahrzeug“, Mahayana oder „großes Fahrzeug“ und Vajrayana oder „Diamantfahrzeug“) folgt und sie integriert.

Tri Ralpachen
König Tri Ralpachen (815-838) entwickelte das Werk König Trisong Detsens durch Errichtung weiterer Tempel und Klöster sowie einer Förderung buddhistischer Kunst und buddhistischen Kunsthandwerks weiter. Seine nachhaltigste Tat jedoch war die Einsetzung einer dauernden Kommission für die Übersetzung buddhistischer Schriften ins Tibetische. Es bedurfte nunmehr einer Erlaubnis dieser Kommission, die Regeln für die Übersetzung vorgab. Mit einem Glossar buddhistischer Fachausdrücke in Sanskrit und Tibetisch wurden die Übersetzungen reglementiert und vereinheitlicht. Es begann eine umfangreiche und staatlich geförderte Übersetzungstätigkeit mit dem Ziel, den Buddhismus als lebendige Religion in Tibet zu etablieren.

Doch wurde Ralpachen von Bön-Anhängern ermordet. Ihm folgte sein Bruder König Langdarma (838-842) auf den Thron, der vehement gegen den Buddhismus eingestellt war und ihn erbittert bekämpfte. In den vier Jahren seiner Regierung kam die gesamte Übersetzungstätigkeit zu einem jähen Ende. Das königliche Patronat für alle buddhistischen Institutionen endete schlagartig. Buddhistische Tempel und Klöster wurden aufgelöst oder zerstört. Mönche, Nonnen, indische Gelehrte und tibetische Übersetzer wurden von König Langdarma aus Zentraltibet vertrieben oder getötet, Schriften wurden verbrannt. Durch systematische Verfolgung aller Buddhisten versuchte Langdarma, die sich ausweitende Einflussnahme buddhistischer Zentren auf die Geschicke des Königreichs zu unterbinden. Dieses Unterfangen wurde von den Priestern der alt-tibetischen Bön-Religion unterstützt, die mit der Einführung des Buddhismus als Staatsreligion unter den vorherigen Königen ihre Macht und ihren Einfluss eingebüßt hatten. In nur vier Jahren wurde ein Großteil der Arbeit von 200 Jahren staatlich gefördertem Buddhismus zerstört. Viele Übersetzungen und Originaltexte gingen unwiederbringlich verloren. Buddhistischen Laienanhängern, die Texte in ihren Haushalten versteckten, ist es zu verdanken, dass dennoch ein Großteil der Übersetzungen dieser ersten Periode gerettet werden konnte. In dieser Zeit politischer Umwälzungen zerbrach schließlich auch das tibetische Großreich in eine Anzahl kleinerer Fürstentümer. Tibet, das sich unter den Königen Songtsen Gampo (618-649), Trisong Detsen (756-797) und Tri Ralpachen (815-838) zu einem imperialistischen Machtfaktor in Zentralasien entwickelt hatte, dessen Einflusssphäre sich von der Seidenstraße über große Teile des chinesischen Kaiserreiches und die gesamte Himalayakette erstreckte, zerfiel mit der Machtübernahme von König Langdarma (838-842) in nur vier Jahren.

In der Zeit vor König Langdarma hatten sich zwei buddhistische Gruppen herausgebildet: die Gruppe der Ordinierten und die Gruppe der Nicht-Ordinierten. Die Ordinierten folgten strikt den Regeln des Vinaya und lebten als Mönche und Nonnen in Klöstern. Sie praktizierten die Lehren des Hinayana, des Mahayana sowie des Vajrayana. Die Nicht-Ordinierten waren die Tantriker. Sie praktizierten ebenfalls die Lehren des Hinayana und des Mahayana, hauptsächlich aber übten sie sich in den esoterischen Lehren des Vajrayana. Sie waren nicht an die klösterlichen Ordensregeln gebunden, lebten auch nicht in Klöstern und waren oft verheiratet. Es waren hauptsächlich diese verheirateten Tantriker, die während der staatlichen Verfolgung des Buddhismus in den vier Regierungsjahren unter König Langdarma unzählige buddhistische Texttraditionen, Überlieferungslinien, Meditationen und Ritualpraktiken am Leben hielten. Während die Mönche, Nonnen und indischen Gelehrten verfolgt wurden und das Land verlassen mussten, lebten die Tantriker als „scheinbar“ gewöhnliche Laien unter der Regierung von Langdarma und hielten die buddhistische Tradition in Tibet im Geheimen aufrecht. Mit der Ermordung König Langdarmas im Jahre 842 endete die systematische Verfolgung des Buddhismus in Tibet, doch mangelte es in der darauf folgenden Zeit an einer übergreifenden Organisation.

Die spätere Übersetzungsperiode

Yeshe Ö
König Yeshe Ö herrschte im 11. Jahrhundert in West-Tibet, wo es dem Buddhismus während der Zeit der Verfolgung etwas besser ergangen war. Yeshe Ö, selbst ein großer Förderer des Mönchstums, unternahm innerhalb seiner Landesgrenzen viel, um den Buddhismus wieder zu beleben und zu verbreiten, doch herrschte Uneinigkeit zwischen den Buddhisten Tibets: die ordinierten Mönche warfen den nicht-ordinierten Tantrikern vor, eine entartete Form des Buddhismus zu praktizieren, während die Tantriker sich in dem Bewusstsein wähnten, dass sie den schnellsten und direktesten Weg zur Erleuchtung praktizierten. Um diesem Streit ein Ende zu bereiten, lud König Yeshe Ö im Jahre 1042 den indischen Mönch und Gelehrten der buddhistischen Universität von Vikramasila Atisha (982-1054) nach Tibet ein. Dreihundert Jahre nach der Einführung des Buddhismus in Tibet betrachteten die Tibeter die indischen Meister immer noch als die maßgeblichen Autoritäten für sämtliche Aspekte der Buddha-Lehre. So kam Atisha, der größte buddhistische Lehrer Indiens dieser Zeit, nach Tibet und blieb dort zwölf Jahre lang bis zu seinem Tod. Er brachte Lehren des Mahayana und verschiedene Vajrayana-Praktiken mit, reformierte die Mönchsdisziplin, reinigte die tantrischen Praktiken und schrieb eine Reihe spiritueller Unterweisungsbücher für die Tibeter. Hauptsächlich durch seinen Einfluss lebte der Buddhismus in Tibet wieder kräftig auf. Mit Artisha sowie mit dem großen Übersetzer Rinchen Sangpo (958-1055) begann in Tibet die sogenannte zweite oder „spätere Übersetzungsperiode“. Die früheren Übersetzungen der Sutras und Kommentare wurden nochmals überprüft und revidiert. Wieder wurden junge Tibeter nach Indien und Kaschmir entsandt, um sie unter der Anleitung indischer Meister zu Übersetzern für buddhistische Texte aus dem Sanskrit ausbilden zu lassen.

Viele neue tantrische Texte und damit auch neue buddhistische Traditionen kamen damals von Indien nach Tibet. Doch setzten die muslimischen Invasionen im 12. Jahrhundert in Nordindien dem indischen Buddhismus und damit auch dem steten Fluss von Texten nach Tibet ein Ende. Während Bücher und Kunstwerke in Indien vernichtet wurden, konnten indisch-buddhistisches Gedankengut und Kunstgegenstände, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits nach Tibet gelangt waren, dort überleben. Die unzähligen Texte, die vom siebten bis zum dreizehnten Jhd. nach Tibet gelangt und dort übersetzt worden waren, wurden zu zwei großen Sammlungen zusammengefasst: dem Kangyur, den übersetzten Buddha-Worten, und dem Tangyur, den Kommentaren dazu. Daher ist der sogenannte tibetische Buddhismus in erster Linie eigentlich ein indischer Buddhismus.

Die Überlieferung der buddhistischen Tradition wurde von Anfang an immer von Lehrmeistern aufrechterhalten, das heißt, Lehren sowie Unterweisungen und Erklärungen von Texten wurden stets vom Lehrer an den Schüler weitergegeben. Deshalb kommt den großen Lehrmeistern im Buddhismus eine besondere Bedeutung und Verehrung zu. So ist es verständlich, dass in tibetischen Klöstern und Tempelhallen die jeweiligen Meister der verschiedenen Überlieferungstraditionen als Kunstwerke dargestellt und von den Gläubigen in ehrfürchtiger Erinnerung gehalten werden. Der Lehrer (Sanskrit: Guru) wird im Tibetischen als „Lama“ bezeichnet. Schon früh bezeichneten Reisende den Buddhismus in Tibert daher als „Lamaismus“.
Die acht glückverheißenden Symbole des Buddhismus:

1. Der kostbare Schirm (Sanskrit: chhatra; Tib. gdugs)
2. Das goldene Rad (Sanskrit: dharmachakra; Tib. 'khor lo)
3. Das Siegesbanner (Sanskrit: dhvaja; Tib. rgyal mtshan)
4. Zwei Fische aus Gold (Sanskrit: suvarnamatsya; Tib. gser nya)
5. Das Schatzgefäß (Sanskrit: nidhana kumbha; Tib. gter gyi bum pa)
6. Die Lotusblüte (Sanskrit: padma; Tib. pad ma)
7. Das Muschelhorn (Sanskrit: shankha; Tib. dung dkar)
8. Der endlose Knoten (Sanskrit: shrivatsa; Tib. dpal be'u)

Die acht buddhistischen glückverheißenden Symbole
Die vier buddhistischen Schulen Tibets

Insgesamt haben sich in Tibet mehrere Schulen oder Traditionen ausgebildet, von denen heute noch vier große Schulen bestehen: die Nyingmapa-Schule, die Kagyüpa-Schule, die Sakyapa-Schule und die Gelugpa-Schule.

Die aus der ersten Übersetzungsphase entstandene Schultradition nennt man Nyingma, wörtlich „Die Alten“. Sie wird aufgrund ihrer frühen Entstehungszeit auch als die Schule der „Alten Übersetzungen“ bezeichnet . Vom 8. bis ins frühe 11. Jahrhundert war die Nyingma-Tradition die einzige buddhistische Schule in Tibet.

Die Nyingmapa-Schule, die Kagyüpa-Schule und die Sakyapa-Schule, die sog. „Rotmützen-Schulen“, wurden von in Indien ausgebildeten Tibetern gegründet. Dagegen ist die erst im 14. Jahrhundert gegründete reformierte Gelugpa-Schule, die aufgrund ihrer gelben Kopfbedeckung als „Gelbmützen-Schule“ in die Geschichte eingegangen ist, rein tibetischen Ursprungs.

Nyingmapa-Schule
Die Nyingmapa-Schule, die „Schule der Alten“ geht der Überlieferung zufolge direkt auf Guru Rinpoche (Padmasambhava) und den indischen Mönch Shantarakshita zurück und ist damit die älteste Tradition Tibets. Beide waren von König Trisong Detsen (756-797) nach Tibet eingeladen worden und gründeten die beiden Linien der ordinierten Mönche und der nicht-ordinierten Tantriker. Bis zum heutigen Tage halten die Nyingmapa diese beiden Linien aufrecht. Die Lehren der Nyingmapa-Schule beinhalten, wie auch die anderen tibetischen Traditionen, alle drei Entwicklungsphasen des Buddhismus (Hinayana, Mahayana und Vajrayana), unterscheiden sich aber in ihrer Struktur darin, dass sie diese drei Yanas (Fahrzeuge) in neun Bereiche aufteilen: Die ersten zwei Bereiche sind Hinayana-Lehren, der dritte Bereich stammt aus dem Mahayana und die restlichen sechs Bereiche entstammen dem Vajrayana.

Kagyüpa-Schule
Die Kagyüpa-Schule geht auf den Übersetzer Marpa (1012-1097) zurück und auf seinen Schüler Milarepa (1040-1123), der traditionell als der größter Yogi Tibets gilt. Milarepa war nicht nur ein Meister jeder spirituellen Praxis und ein bemerkenswerter Lehrer, sondern auch Tibets größter Poet. „Kagyü“ bedeutet „durch das Wort überliefert“ und meint die mündlich weitergegebenen Traditionen, da Kagyüpa-Schule weniger Wert auf das Studium des Schrifttums gelegt wird. Viel wichtiger sind die „ins Ohr geflüsterten Anweisungen“, die der Lehrer dem Schüler direkt weitergibt.

Sakyapa-Schule
die Sakyapa-Schule beginnt ihre Linie mit dem Übersetzer Drogmi (993-1077). Im Jahre 1073 wurde das Sakya-Kloster gegründet, der Sitz der Hierarchen der Sakya-Schule. Der Name „Sakyapa“ leitet sich vom Hauptkloster dieser Tradition ab, das in einer Gegend war, die man „Gebiet der lohfarbenen Erde“ (Sakya bedeutet „lohfarbene Erde“) nannte. Von frühester Zeit an bis zum heutigen Tage finden sich in der Führungselite der Sakya-Schule sowohl ordinierte als auch nicht-ordinierte Meister.
Manjusri in Tengboche Manjusri in Muktinath
Gelugpa-Schule
Die jüngste Tradition Tibets die Gelugpa-Schule (wörtlich übersetzt die „Tugendschule“) wurde im 14. Jahrhundert von Tsongkhapa (1357-1419) gegründet. Tsongkhapa, ein Heiliger und Gelehrter zugleich gilt als Reformer des tibetischen Buddhismus, der viele Missbräuche abstellte. Tsongkhapa sammelte viele Schüler um sich, die wegen ihrer fleißigen Hingabe an den Dharma und wegen ihres lauteren Lebenswandels nach und nach als die „Gelugpa“ (Tugendschule) bekannt wurden. Sie konzentrierten sich auf die strikte Einhaltung der Ordenszucht (vinaya), lebten ehelos und mieden alkoholische Getränke. Noch zu Lebzeiten von Tsongkhapa gründeten seine Schüler in und um Lhasa, die drei heute noch bestehende Gelugpa-Klöster Ganden, Sera und Drepung. Tsongkhapa war auch ein fruchtbarer Autor, dessen umfassende und sehr systematischen Werke die Basis für die Lehren der Gelugpa bilden. Wegen seiner Gelehrtheit und Spiritualität wird Tsongkhapa als Manifestation des Bodhisattva Manjusri betrachtet, den man besonders mit der Perfektion von Weisheitslehren verbindet. Tsongkhapa wird deshalb traditionell mit den Attributen des Manjusri dargestellt, z.B. mit dem flammenden Schwert, das die Fesseln der Unwissenheit durchschneidet. Sonam Gyatso, der damalige Führer der Gelugpa-Schule, erhielt 1578 als erster den Ehrentitel „Dalai Lama“ von dem mongolischen Herrscher Altan Khan, nachdem dieser im mongolischen Reich die buddhistische Lehre durchgesetzt hatte. Posthum wurden noch zwei Vorgängern Sonam Gyatsos der gleiche Titel verliehen, so dass er als dritter Dalai Lama in die Geschichte einging. Seitdem trugen alle Oberhäupter der Gelugpa-Schule diesen höchsten Titel Tibets. Derzeit lebt der 14. Dalai Lama mit dem Mönchnamen Tenzin Gyatso als Nachfolger des 13. Dalai Lama Thubten Gyatsho.
Tsongkhapa
Tenzin Gyatso wurde am am 6. Juli 1935 mit dem Namen Lhamo Döndrub geboren. Anhand von Orakelsprüchen und verschiedenen Vorzeichen wurde er im Alter von knapp zwei Jahren als Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lama aufgefunden. Mit vier Jahren kam er nach Lhasa, wo er im Rahmen des Neujahrsfestes am 22. Februar 1940 im Potala-Palast als 14. Dalai Lama inthronisiert wurde. Die Regierungsgeschäfte wurden jedoch bereits seit 1933 und noch bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahrs von Ju Cheng Fu Tu Kar Tu übernommen.
Thubten Gyatsho, der 13. Dalai Lama Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama
Thubten Gyatsho, der 13. Dalai Lama Ju Cheng Fu Tu Kar Tu
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama
Tenzin Gyatso (gebürtig Lhamo Döndrub) wurde am 6. Juli 1935 in Taktser (Provinz Amdo, Osttibet) als zweiter Sohn einer Bauernfamilie geboren.

Im Alter von zwei Jahren wurde er von Mönchen aufgefunden, die ihn zur Wiedergeburt des 1933 verstorbenen 13. Dalai Lama erklärten. Tenzin Gyatso soll bei dem Treffen spontan einen Diener von Thubten Gyatsho, des 13. Dalai Lama, wiedererkannt und dessen Gegenstände an sich genommen haben.

Am 22. Februar 1940 wurde er in Lhasa als 14. Dalai Lama inthronisiert und damit zum geistlichen Oberhaupt der Tibeter. Mit 15 Jahren wurde ihm auch die weltliche Macht über Tibet übertragen.

Im Zuge des Tibetaufstands im März 1959 floh er vor den chinesischen Truppen ins indische Dharamsala (im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh), wo die tibetische Exilregierung bis heute ihren Sitz hat. Seitdem ist der „Ozean der Weisheit“, wie ihn die Tibeter nennen, ein Staatsoberhaupt ohne Land.

Im März 2011 gab Tenzin Gyatso bekannt, dass er seine politische Funktion niederlegen wolle, um sich auf die Rolle als geistliches Oberhaupt zu konzentrieren. Ende April gleichen Jahres wurde der Jurist und Völkerrechtler Lobsang Sangay vom Exilparlament zum Ministerpräsidenten der tibetischen Exilregierung gewählt.

Der Dalai Lama genießt weit über Tibet hinaus insbesondere auch in der westlichen Welt hohes Ansehen als moralische Autorität und Friedensbotschafter. Für seinen Kampf für Gewaltlosigkeit, die Beharrlichkeit und das Werben für Aussöhnung wurde er 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Die Neuzeit
Im Jahre 1951 marschierte die chinesische Volksbefreiungsarmee in Zentraltibet ein, nachdem sie zuvor schon 1950 Osttibet besetzt hatte. 1959 flohen viele buddhistische Würdenträger, Mönche und Nonnen vor den Chinesen aus Tibet, am 17. März floh auch der Dalai Lama nach Indien ins Exil nach Dharamsala (Himachal Pradesh). 1965 wurde Tibet endgültig in die Volksrepublik China integriert und die „Autonome Region Tibet“ gegründet. Mit dem Beginn der Kulturrevolution 1966 setzte die systematische Zerstörung des kulturellen Erbes Tibets durch die Rotgardisten ein. Die 1959 geflohenen tibetischen Mönche und Laien siedelten sich in Indien, Nepal, Sikkim, Bhutan und Ladakh an. Durch die Bemühungen dieser geflohenen Mönche und Nonnen hat sich in den letzen 45 Jahren der tibetische Buddhismus in diesen Ländern fest etabliert. Glücklicherweise haben sich seit 1982 aber auch in Zentral- und Osttibet die Bedingungen für die Mönche und Nonnen gebessert. In bescheidenem Maße werden Klöster wieder renoviert, und die Ausübung des Buddhismus wird inzwischen von der chinesischen Regierung toleriert.
Entwicklung des Buddhismus in Nepal

Obwohl der Buddhismus in Nepal sich seit der Zeit des großen indischen Kaisers Ashoka (4. Jhd. v.Chr.) sehr schnell verbreitete, bekannten sich die Licchavi-Herrscher (etwa 350-750 n.Chr.) - ebenso wie auch die gleichzeitig in Indien regierenden Dynastie der Guptas - zum Vishnuismus, einer Form des Hinduismus. Die Licchavis waren vermutlich indischer Herkunft, und es bestanden enge kulturelle Kontakte und sicher auch intensive Handelsbeziehungen mit Indien. Schon bald kam dem Karawanenhandel eine besondere Bedeutung zu; das Kathmandu-Tal war bald Umschlagplatz auf dem Handelsweg zwischen Indien und Tibet. Die Gründung der Stadt Kathmandu im Jahr 732 fällt in diese Zeit. Durch den kulturellen Austausch mit Indien kamen aus dem dort aufblühenden Buddhismus immer wieder neue buddhistische Impulse nach Nepal. Nordindien wurde zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert von islamischen Eroberern überrannt. Diese zerstörten die buddhistischen Klöster und Universitäten und schlachteten die Mönche und Nonnen brutal ab. Die Vernichtung der buddhistischen Traditionsstätten und die grausame Ausrottung praktisch aller dort lebenden Mönche besiegelte den Untergang des Buddhismus im nördlichen Indien. Unter dem Strom der Flüchtlinge, die damals im Kathmandu-Tal Asyl suchten, taucht eine neue Dynastie in Nepal auf: es war die Familie der Malla, was so viel wie „Kämpfer“ oder „Sieger“ bedeutet. Bereits 1200 übernahm Arimalla (1200-1216) die Macht und begründete damit die Dynastie der Malla. Doch auch Nepal blieb von der Invasion der Muslime nicht verschont, die im Jahre 1349 das Kathmandu-Tal plündernd und brandschatzend durchzogen, dabei Städte und Heiligtümer in Schutt und Asche legten. Jaya Sthitimalla (1382-1395) konnte schließlich die chaotischen Zustände dieser unruhigen Zeit, in der ständig neue Bevölkerungsgruppen in das Land eingegliedert wurden, durch eine rigorose Hinduisierung des Landes mit einer streng gegliederte Kastengesetzgebung beenden. Dennoch lebte der Buddhismus fort und wurde jetzt durch Tibet bzw. den dortigen Vajrayana-Buddhismus befruchtet. Damals schon existierten Hinduismus bzw. Vishnuismus und Buddhismus friedlich nebeneinander, eine in Nepal noch heute einzigartige Konstellation.

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