< 2. Die Lehre des Buddha 4. Buddhismus in Nepal >
3. Das Vermächtnis des Buddha
Schriftliches hinterließ der Buddha nicht. Seine Lehre wurde in den ersten Jahrhunderten ausschließlich mündlich weitergegeben, wie es seit frühester Zeit allgemein in Indien üblich war. Die in die tausende gehenden Lehrreden des Buddha sowie die umfangreichen Ordensregeln wurden von Gedächtnisspezialisten, sogenannten „Rezitatoren“ (Pali: Bhanaka) auswendig gelernt, rezitiert und an andere Gedächtnisexperten weitergegeben. Da der Buddha während seiner langen Lehrtätigkeit viele tausende Mönche, Nonnen und Laienanhänger unterrichtet hatte, war die Masse der mündlich überlieferten Texte enorm.

Buddhistische Konzile
Zur Abklärung der authentischen Lehre des Meisters bzw. ihrer wortgetreuen Weitergabe wurden schon bald nach seinem Tode buddhistischen Konzile abgehalten. In einer Höhle bei Rajagaha (Sanskrit: Rajagriha) im heutigen Bihar, der Hauptstadt des Königreichs Magadha, trafen sich um 480 v.Chr., also unmittelbar nach dem Verlöschen des Erleuchteten, die 500 bedeutendsten seiner Schüler zu einem ersten Konzil, um gemeinsam die Lehre des Buddhas aufzusagen und so seine Worte zu bewahren. Ananda, der für sein hervorragendes Gedächtnis bekannt war, soll die Lehrreden (Sutren) wiedergegeben haben, Upali trug die Mönchsregeln vor. Der Überlieferung nach soll auf diesem ersten Konzil ein Kanon der Lehre (dharma) und einer der Ordensdisziplin (vinaya) zusammengestellt worden sein.

Bereits hundert Jahre nach dem ersten Konzil wurde ein zweites Konzil in Vesali (Sanskrit: Vaishali) im heutigen Bihar, der Hauptstadt der Licchavi-Republik, einberufen. Diskutiert wurden nun vor allem die Regeln der Mönchsgemeinschaft, da es bis dahin bereits zur Bildung verschiedener Gruppierungen mit unterschiedlichen Auslegungen der ursprünglichen Regeln gekommen war. Während des zweiten Konzils und den folgenden Zusammenkünften entstanden bis zu 18 verschiedene Schulen, die sich auf unterschiedliche Weise auf die ursprünglichen Lehren des Buddha beriefen. Nach diesem Konzil bildeten sich im Laufe der Zeit in den räumlich oft weit auseinandergelegenen Mönchsgemeinden neben den unterschiedlichen Ordensregeln auch Unterschiede in den Überlieferungstraditionen der Lehrreden des Meisters heraus.

Ein drittes buddhistisches Konzil berief der große indische König Ashoka (ca. 268-232 v.Chr.) in Pataliputta (dem heutigen Patna) ein. Ziel der Versammlung war es, sich wieder auf eine einheitliche buddhistische Lehre zu einigen. Bei diesem Konzil wurde zu den Lehrreden, den „Sutras“, und den Ordensregeln, dem „Vinaya“, noch ein dritter Textkorpus hinzugefügt, der „Abhidharma“, eine gelehrte Darstellung und Systematisierung der Lehre des Buddha. Diese drei Abteilungen: Lehrreden (Sutra), Ordensregeln (Vinaya) und Systematisierung der Lehre (Abhidharma) werden als die „Drei Körbe“, als „Tripitaka“, bezeichnet. Diese drei Sammlungen oder „Körbe“ enthalten das gesamte Lehrmaterial des frühen Buddhismus; sie bilden den Kanon der heiligen Schriften des Buddhismus, den buddhistischen Kanon.

Theravada-Buddhismus
Ashoka hatte den Buddhismus in seinem riesigen Reich zu einer Art Staatsreligion erhoben. Zumindest war der Buddhismus die Religion des Herrschers, die er nach Kräften förderte. Doch rief er zur Toleranz gegenüber allen bestehenden Religionen seines Reiches auf. Seine Untertanen wurden nicht gezwungen, zum Buddhismus zu konvertieren. Seine Nachfolger haben diese buddhismusfreundliche Religionspolitik allerdings nicht weitergeführt. Ashoka entsandte Mönche in alle Regionen seines Reiches und in alle angrenzenden Länder, um sie dort die Lehre des Buddha verkünden zu lassen. Er selbst kam u.a. als Pilger nach Lumbini in Nepal, dem Geburtsort Buddhas. Schon zu Ashokas Zeit breiteten sich verschiedene Schulen des frühen Buddhismus auf dem gesamten indischen Subkontinent aus, ebenso in Pakistan, Afghanistan, Westturkestan (Mittelasien) und Ostturkestan (Sinkiang). Vermutlich brachten Ashokas Mönche den aus Vinaya-, Sutta- und Abhidharma-Pitaka bestehenden buddhistischen Kanon im 3. Jahrhundert v.Chr. auch nach Ceylon, wo er im 1. Jahrhundert v.Chr. schriftlich aufgezeichnet wurde. Die Sprache dieses buddhistischen Kanons ist Pali - keine gesprochene Sprache, sondern eine reine Schriftsprache. Pali bedeutet „Reihe, Ordnung“, nämlich die Ordnung der heiligen Texte. Dieser Pali-Kanon ist der einzige frühe Kanon des Buddhismus, der bis in unsere Zeit hinein vollständig erhalten ist. Der Wortlaut kann seit dem Entstehen der großen Kommentare im 5./6. Jahrhundert auf Ceylon als gesichert gelten. Die buddhistische Schule, die den Pali-Kanon über 2500 Jahre bewahrt hat, nennt sich „Theravada“, die „Schule der Alten“. Ursprünglich war die Theravada-Tradition nur eine der vielen frühen Schulrichtungen des Buddhismus, doch ist sie die einzige, die bis heute erhalten geblieben ist.

Der Theravada-Buddhismus hat sich bis heute in den Ländern Sri Lanka (Ceylon), Burma, Thailand, Kambodscha und Laos erhalten. Auch in einigen Teilen Ost-Pakistans, in Süd-Vietnam und bei den Thai-Völkern in der chinesischen Provinz Yünnan und in Nord-Vietnam findet sich diese Form des Buddhismus. Man spricht auch vom „Theravada-Buddhismus“ oder auch einfach vom „südlichen Buddhismus“.

Mahayana-Buddhismus
Etwa zu Beginn unserer Zeitrechnung entwickelte sich in Indien aus den Schulen des frühen Buddhismus ein völlig neues Konzept, dessen Anhänger sich bis heute als dem „Mahayana“, dem „Großen Fahrzeug“ zugehörig zählen. Das „Große Fahrzeug“ ist erst ab dem 5. oder 6. Jhd. als selbständige Schule zu betrachten. Während der frühe Buddhismus (Theravada-Buddhismus) das Erreichen des Nirvana als zentrales und ausschließliches Ziel kennt, steht im Mahayana-Buddhismus das Ideal des „Bodhisattva“ im Mittelpunkt, der auf das endgültige Aufgehen im Nirvana verzichtet, um statt dessen anderen auf ihrem Weg zum Erwachen zu helfen. Der Bodhisattva ist ein nach höchster Erkenntnis strebende Wesen, das auf dem Wege der „Tugendvollkommenheit“ (sanskrit: paramita) die „Buddhaschaft“ anstrebt bzw. in sich selbst realisiert, um sie zum Heil aller lebenden Wesen einzusetzen. Kern der Bodhisattva-Philosophie ist der Gedanke, nicht selbst und allein für sich Erleuchtung zu erlangen und damit in das Nirvana einzugehen, sondern statt dessen zuvor allen anderen Wesen zu helfen, sich ebenfalls aus dem endlosen Kreislauf der Reinkarnationen (Samsara) zu befreien.
die fünf Dhyani Buddhas des Mahayana-Buddhismus
Damit ergab sich eine Abgrenzung gegen die etablierten Schulen des monastischen, des frühen Buddhismus, der aus der Sicht des Mahayana, des „Großen Fahrzeugs“, etwas abfällig „Hinayana“, „Kleines Fahrzeug“, genannt wurde. Die Mahayana-Lehre hat im Laufe der Zeit viele verschiedene Formen angenommen und sich über Zentralasien (Afghanistan, Tibet, Mongolei), Südostasien (Indonesien) und Ostasien (China, Japan, Korea, Vietnam) verbreitet.
Vajrayana-Buddhismus
Eine dritte und letzte Entwicklungsstufe des indischen Buddhismus entwickelte sich in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends n.Chr.: das Vajrayana, das „Diamantfahrzeug“, eine Form des tantrischen Buddhismus. Dieser wird in seiner tibetischen Form oft auch Lamaismus genannt, da hier der Lama (Lehrer) von zentraler Bedeutung ist. Trotz spezifischer Eigenheiten, die noch im Abschnitt „Buddhismus in Nepal und Tibet“ besprochen werden, ist das Vajrayana dem Mahayana zuzuordnen und kann von diesem nicht losgelöst betrachtet werden, denn es stützt sich auf dessen philosophischen Grundlagen. Der Unterschied liegt nicht im Ziel, der Buddhaschaft, sondern in der Art und Weise, wie dieses erreicht wird. Der tibetische Buddhismus legt dabei besonderen Wert auf direkte Übertragung und Unterweisung von Lehrer zu Schüler.
Architektur von Tschörten und Stupa im tibetischen Vajrayana
Mahayana- und Vajrayana-Buddhismus verbreiteten sich in Tibet, Bhutan, Sikkim, Nepal, Ladakh, der Mongolei, Teilen Chinas und einigen von mongolischen Völkern bewohnten asiatischen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. Aufgrund seines Verbreitungsgebietes werden Mahayana- und Vajrayana-Buddhismus auch als „nördlicher Buddhismus“ bezeichnet.

Drei Fahrzeuge
Man kann also ganz grob drei große buddhistische Entwicklungen festhalten, die man als die „drei Fahrzeuge“ bezeichnet:
• Die frühe Phase des Buddhismus, aus der heute nur noch die Theravada-Tradition erhalten ist. Dieser Buddhismus wurde später als „Hinayana“, als „Kleines Fahrzeug“ bezeichnet.
• Die mittlere Phase des Buddhismus, das sogenannte „Mahayana“, das „Große Fahrzeug“.
• Die späte Phase des Buddhismus, das sogenannte „Vajrayana“, das „Diamantfahrzeug“
Lamaismus
Der von den etwa 10.000 in Nepal lebenden Tibetern praktizierte Lamaismus ist eine Verbindung aus Mahayana-Buddhismus, Vajrayana-Buddhismus und der vorbuddhistischen Bön-Religion. Auch heute sind diese Elemente noch deutlich an den Wandbildern in den tibetischen Klöstern und in anderen Darstellungen zu erkennen. Der Lamaismus ist eine ausgesprochene Mönchsreligion. Die leitenden Mönche der Klöster werden meist auch als Inkarnation verstorbener geistiger Lehrer verehrt. Lama ist das tibetische Wort für Guru (Lehrer). Diese Bezeichnung betont die Bedeutung von Gurus für die Anleitung der Schüler und Schülerinnen bei der Durchführung der verschiedenen Riten, aber auch in der Weitergabe der Lehre. Allein der Lama verbürgt - vor dem äußerlichen Studium der Texte - die authentische Lehre, da er auch die Wahrheit hinter den aufgezeichneten Schriften erkannt hat.

Lamaismus in Tibet - Mönche Lamaismus in Tibet - Laien
Wichtigstes Werkzeug zur Erlangung der Erleuchtung ist die Meditation und die Kenntnis der Tantras, der heiligen Bücher. Der Lamaismus hat sehr viele Meditationstechniken und -methoden entwickelt. Hilfsmittel bei verschiedenen Meditationen sind die Mantras und Mandalas. Mantras sind „Formeln von Sanskritwörtern oder -silben, die im Klang das Wesen einer bestimmten Gottheit, Eigenschaft oder Macht ausdrücken“. Das bekannteste Mantra ist: „Om mani padme hum“, ein Mantra, das dem buddhistischen Bodhisattva des Mitgefühls Avalokiteshvara zugeordnet wird. Mandalas sind Bilder von Gottheiten oder ihren Symbolen, die auch als Meditations-Objekt Bedeutung haben.
„Om mani padme hum“ wird auch eingraviert auf Gebetssteine - „Mani Stones“, die sich in Gebieten des tibetischen Buddhismus entlang des Weges oder bei „Gompas“ (Tempeln) finden.
„Om mani padme hum“ auf Gebetsmühlen:
Geografische Verbreitung des Buddhismus
Bereits vor der Zeitenwende waren riesige Gebiete Asiens durch Karawanenstraßen verbunden, die wegen des Handels mit der kostbaren und begehrten chinesischen Seide als „Seidenstraße“ bezeichnet wurden. Diese verbanden China entlang der Wüste Taklamakan (nördlich von Tibet) Richtung Westen: 1.) als „östliche Seidenstraße“ über Afghanistan durch den Hindukusch mit Indien, 2.) weiter Richtung Westen als die „südliche Seidenstraße“ über Teheran und Baghdad an das östliche Mittelmeer nach Antiochia und Damaskus, dann weiter sowohl mit Kairo als auch mit Konstantinopel, 3.) ebenso weiter Richtung Westen als „nördliche Seidenstraße“ über das Nordufer des Kaspischen Meeres mit dem Schwarzen Meer.

Neben den Handelsgütern wurden über die „Seidenstraße“ seit jeher natürlich auch diplomatische Beziehungen und kulturelles Wissen ausgetauscht. So erfolgte auch die Ausbreitung des Buddhismus entlang der Seidenstraße. Zwischen dem 1. und dem 3. Jahrhundert. n.Chr. gelangte der Buddhismus von Indien nach China. Zahlreiche chinesische Pilgern reisten in den darauf folgenden Jahrhunderten nach Indien und brachten buddhistische Texte und indische Gelehrte zurück nach China, um die Texte dort mit deren Hilfe ins Chinesische zu übersetzen.

Gegen Ende des 4. Jahrhunderts n.Chr. verbreitete sich der Buddhismus von China nach Korea und erreichte von dort aus etwa um 550 n.Chr. Japan. Der Theravada-Buddhismus erreichte zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert Oberburma, Thailand, Laos und Kambodscha. Das heutige Vietnam kam schon seit dem 3. Jahrhundert n.Chr. mit dem Buddhismus in Berührung. Archäologische Funde sowie die Berichte chinesischer Pilger belegen, dass der Buddhismus schon im 5. Jahrhundert n.Chr. an mehreren Orten im indonesischen Archipel (Java und Sumatra) und auf der Halbinsel von Malaya Verbreitung gefunden hatte. Neben Hinayana- und Mahayana-Buddhimus war dort auch der Hinduismus stark vertreten. In Sumatra hielt sich der Buddhismus bis zum 14. Jahrhundert und in Java bis zum 15. Jahrhundert Die zunehmende Islamisierung des indonesichen Archipels und von Malaya seit dem 13. Jahrhundert führte zum Untergang des Buddhismus in diesen Gebieten.

Nordindien wurde zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert von islamischen Eroberern überrannt. Diese zerstörten die buddhistischen Klöster und Universitäten und schlachteten die Mönche und Nonnen ab. Die Vernichtung der großen Traditionsstätten buddhistischer Gelehrsamkeit und die grausame Ausrottung praktisch aller dort lebenden Mönche besiegelte den Untergang des Buddhismus im nördlichen Indien. Obwohl der Buddhismus im Süden des indischen Subkontinents von den Invasionen unbeschadet blieb, wurde er doch nach und nach durch den wieder auflebenden Hinduismus verdrängt. Ab dem 17. Jahrhundert n.Chr. war der Buddhismus in Indien so viel wie vollständig verschwunden.

Obwohl der Buddhismus im Laufe seiner 2500jährigen Geschichte in einigen Ländern nach seinem Aufblühen auch wieder verdrängt wurde, hat er bis heute keineswegs seine Ausbreitungskraft verloren. Gerade auch in Europa und den Vereinigten Staaten finden sich zunehmend neue Anhänger und der Buddhismus ist im Westen von einer anfänglich bewunderten Philosophie zu einer praktizierten Religion geworden. In Deutschland bekennen sich schätzungsweise rund 200.000 Menschen zum Buddhismus. Auch in seinem Ursprungsland Indien findet derzeit eine Renaissance des Buddhismus statt.

Die Drei Juwelen
Die „Drei Juwelen“ bezeichnen im Buddhismus Buddha, Dharma (die Lehre) und Sangha (die Gemeinschaft). Einig in allen unterschiedlichen Richtungen des Buddhismus ist das Bekenntnis zu diesen Dreien. Die gesprochenen Formel des „Dreifachen Juwels“ (triratna) wird vom Buddhisten täglich drei mal sowie bei jeder Versammlung, sowohl von Laien als auch von Mönchen und Nonnen, gesprochen, so wie es im alten Indien als ein Zeichen vollständiger Überzeugung Brauch war. Die traditionelle Formel lautet:
• Ich nehme Zuflucht zu Buddha (dem Ideal menschlicher Vervollkommnung und Symbol für die Erleuchtung) - pali: Buddham saranam gacchami
• Ich nehme Zuflucht zum Dharma (den Lehren Buddhas - die vier edle Wahrheiten; der edle achtfache Pfad) - pali: Dhammam saranam gacchami
• Ich nehme Zuflucht zum Sangha (der spirituellen Gemeinschaft all derer, die das Dharma praktizieren) - pali: Sangham saranam gacchami
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